Reisen |
Text: Winni Scheibe |
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Die Tachonadel kommt kaum
auf 80 Sachen, und so wundert es nicht, dass die 120 Kilometer Strecke
von Eger bis Aggtelek fast zweieinhalb Stunden dauert. Aggtelek liegt im
nördlichsten Zipfel Ungarns, Ziel und Hauptattraktion ist die
Baradla-Tropfsteinhöhle. Die Untertage- Temperatur liegt ganzjährig
zwischen 10 und 12 Grad, die Motorradjacke lässt man am besten an.
Insgesamt ist das Höhlen-Labyrinth über 22 Kilometer lang. Von der
ungarischen Seite sind sieben Kilometer begehbar, der andere Teil liegt
auf slowakischer Seite. Der Ausflug in die Unterwelt ist gigantisch, er lässt eine eigenartige Mystik aufkommen. Vorbei an kristallklaren
Wassergerinseln schlängelt sich der Weg zwischen gewaltigen
Steinkolossen und wunderschönen, hängenden oder stehenden
Tropfsteinformationen entlang. Tiefe Stille und die skurrilen
Steingebilde, die in unterschiedlichsten Farbschattierungen erscheinen.
Mal ist es verdammt eng, dann wieder steht man mitten in riesigen,
unterirdischen Sälen. Eine Tour durch die Grotte dauert zwischen einer
und zweieinhalb Stunden, dann hat einen die Welt wieder. |
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Beim Rückweg wird ein Stopp in Szilvásvárad, dem Zentrum des Bükk-Nationalparks eingelegt. Die Bikes bleiben stehen, mit der Bimmelbahn geht's hinauf ins wildromantische Szalajka-Tal. Bekannt ist die Gegend für ihre Forellenzucht. Fischmenüs sind ausgesprochen reichhaltig, wohlschmeckend und obendrein auch noch preisgünstig. |
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Eger ist aber nicht nur eine kulinarische Weinstadt, der Ort kann auf eine bewegte tausendjährige Geschichte zurückblicken. Bereits im 11. Jahrhundert war Eger Bischofssitz mit befestigter Residenz. Strategisch äußerst günstig gelegen, baute man die Befestigung im Laufe der nächsten Jahrhunderte zu einer stattlichen und verteidigungsfähigen Burg aus. Gleichfalls entwickelte sich der Ort zu einem wirtschaftlichen Dreh- und Angelpunkt. Nicht ohne Folgen. Burghauptmann István Dobó wurde 1552 mit 2000 seiner treuen Gefolgsleute von einer sechzigfachen türkischen Übermacht belagert, konnte die Meute aber erfolgreich in die Flucht schlagen. Doch die Türken kamen wieder. Im Jahre 1596 wurde Eger eingenommen und war bis 1687 das Zentrum eines Vilajets des Osmanischen Reiches. Aus dieser Zeit stammt das bis heute gut erhaltene und begehbare 35 Meter hohe Minarett. |
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Nach allen weiteren Kriegen und Verwüstungen begann man 1925 zunächst mit Ausgrabungs- und Wiederherstellungsarbeiten der Burgruine. Heute ist sie, neben den 200 weiteren historischen Gebäuden und Denkmälern, das Ausflugsziel Nummer eins. Berühmt ist Eger auch durch das Thermalbad, die Barockinnenstadt, den mittelalterlichen Marktplatz und die Basilika, Ungarns zweitgrößte Kirche. Geschichts- und Kulturinteressierte kommen beim Stadtbummel voll auf ihre Kosten. Wer in Ungarn aber den Restmief sozialistischer Planwirtschaft, heruntergekommene Häuser, kaputte Straßen, schlechte Gastronomie und alle weiteren "westlichen Klischees" erwartet, ist im falschen Film.
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Touren ins Bükk- und Mátra-Gebirge, stundenlanges Geplätschere im Thermalbad, relaxen im Straßencafe und abendliches Geschlemmer im Talizmn oder Gasthaus zum Weißen Hirschen mit abschließender riesigen Portion Palatschinken lassen die erste Urlaubswoche wie im Flug vergehen.
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Fast schnurgerade führt die Landstraße 33 direkt in die Puszta, von Eger bis dahin sind es gut 90 Kilometer. Die Landschaft ist flach wie ein Brett, Kilometer pro Kilometer wird's wärmer. Nur noch wenig Baumbestand spendet Schatten. Kurz vor Hortobágy, etwas abseits der Straße, steht auf dem plattgewalzten, vertrockneten Grasboden ein vorsintflutlicher Doppeldecker. Von einem Airport ist allerdings weit und breit nichts zu sehen. Der Ausflug in Ungarns Vergangenheit wird zunächst verschoben. Ein junger Mann sitzt im Freien hinter einem Campingtisch, er stellt sich als Pilot vor. Bei der Rundflugmaschine handelt es sich um eine Antonov-2 mit Neunzylinder-Sternmotor von 1948. |
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Ein fünfzehnminütiger Rundflug mit der 1000 PS starken russischen Maschine kostet umgerechnet etwa 30 Euro, eine Investition, die sich lohnt. Steil zieht Pilot Gál Sándor die AN-2 gen Himmel. Soweit das Auge reicht, breitet sich unter den Tragflächen die Steppe aus. Vereinzelt entdeckt man strohbedeckte Gebäude, dann wieder eine kleine Siedlung, und zum Abschluss dreht Sándor eine Runde über Hortobágy und die Neunlöchrige-Brücke. |
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Im Hochsommer wird es heiß in der Puszta. Die Luft flimmert, es ist trocken und staubig. Fährt man über die 33 zurück nach Eger, kommt man an der Theiß vorbei. Für ein erfrischendes Bad und für alle Wasserratten lohnt sich der Abstecher nach Abádszalók. Spätestens hier hat einen das moderne Ungarn wieder. Ob Jetski-, Motorboot- oder Wasserskifahren, oder ein Rundflug mit einem Motordrachen, Langeweile kann keine aufkommen. Viele Urlauber sind Ungarn, der westliche Tourismusboom hat dieses Fleckchen Erde offensichtlich noch nicht entdeckt. |
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